„Auf geht’s in Woid, weils im Woid an jedn gfoid“

Mit diesen Zeilen aus einem Lied von Dr. Döblingers Kasperltheater auf den Lippen startet Elias*, eins der Eulenkinder, oft in einen neuen Waldkindergartentag.

Elias´ Mutter nimmt seit September 2023 die 15 km Fahrstrecke in Kauf, da sie es als „ein riesen Glück“ empfindet, dass es „diesen tollen Kindergarten mit solch überzeugten Wald-Pädagoginnen gibt“.

Golden leuchtet an manchem Herbsttag die Sonne durch die Bäume, wenn man morgens früh vom Parkplatz in Richtung des Kindergartens geht. Manche Kinder sind um diese Zeit schon unterwegs und freuen sich aufs Spielen in oder an den Schutzhäusern. Ab acht Uhr werden dann die Bollerwägen mit allem bepackt, was man im „Einhornwald“ der Eulen oder im „Wurzelwald“ der Füchse im Laufe des Vormittages so braucht: Wasser zum Händewaschen und zum Matschen, das Waldhandy für den Notfall, Bücher usw.

Nach dem Morgenkreis geht’s auf Wanderschaft in ein angrenzendes Waldstück. Spannende Namen haben die Kinder sich ausgedacht für ihre Lieblingsplätze: das Waldstück, in dem es bei Westwind schön windstill ist, heißt „Märchenwald“. Ein anderes kleines, unscheinbares, von grünen Wiesen umgebenes Wäldchen bekam den Namen „Hexenwald“ und steht bei den Kindern eindeutig auf Platz eins. Dort lassen sich die besten Lager bauen, die höchsten Kletterbäume mit der schönsten Aussicht erklimmen und die interessantesten Rollenspiele erfinden. Und dazu braucht es gar kein Spielzeug, denn die Waldkinder sind überaus phantasievoll. Herumliegende Stöcke können fast alles sein, was man gerade braucht: Schwader und Mähwerk, Bagger, Schwert, oder eben Baumaterial für Lager. Nur einig muss man sich werden, damit es mit dem gemeinsamen Spiel klappt und das fordert und fördert Sprache und Sozialverhalten. Oft gibt es einige Diskussionen, bis der Bau des Lagers beginnen kann oder klar ist, ob der Stock heute eine Maschine oder doch ein Kochlöffel ist. Notfalls kann eine der Pädagoginnen bei der Klärung ein wenig helfen.

Zur Mittagszeit ertönt die Flöte zum Sammeln und Packen der Rucksäcke und dann wandern die Gruppen zurück zu den Waldplätzen im Einhorn- bzw. Wurzelwald, von wo aus die ersten Kinder schon abgeholt werden. Die anderen lassen den Kindergartentag meist am Schutzhaus auf der Terrasse oder im Sandkasten ausklingen.

An den grimmig kalten Tagen des Jahres und bei extremen Wetterlagen ziehen sich die „Waldis“ in die komfortablen, gemütlichen Schutzhäuser zurück, die mit Holzofen, fließendem Wasser, Strom, großen Panoramafenstern und einer überdachten Terrasse ausgestattet sind. Drinnen bieten sich andere Spielmöglichkeiten für die Kinder und die Pädagoginnen können an diesen Tagen Facetten wahrnehmen, die draußen vielleicht gar nicht zu beobachten wären.

Natürlich kommt auch die Vorbereitung auf die Schule nicht zu kurz. Diese findet unter anderem durch die regelmäßigen „Eichhörnchenstunden“ statt, in denen die künftigen Schulkinder sich in den Schutzhäusern intensiv mit Zahlen, Buchstaben und allem, was dazugehört, beschäftigen. Selbstverständlich gehören zur Vorbereitung auf die Schule noch viele weitere Aspekte. In gewisser Weise ist alles, was „vor der Schule“ im Kindergarten passiert, „Vorschule“, denn das Einordnen in die Gesamtgruppe, das Umgehen mit Konflikten, das Durchhalten in herausfordernden Situationen sind alles wichtige Fähigkeiten für den weiteren Lebensweg. Im Waldkindergarten kommt noch hinzu, dass die Umwelt täglich ganz hautnah zu spüren und zu erleben ist. Es kann schon mal richtig kalt und ungemütlich sein. Ein bisschen „aushalten und durchhalten“ und Lösungen finden ist da manchmal notwendig, gleichzeitig wird das Immunsystem gestärkt.

Genauso wird auf natürliche Weise die Grobmotorik trainiert. Täglich bewegen sich die Kinder auf unebenem Gelände, sind viel wandern, balancieren über Baumstämme oder die Slackline, die zwischen zwei Bäumen aufgespannt ist und schaukeln auf der Waldschaukel, die nur aus Seilen und einem Stock besteht. Das brauchen die Kinder entwicklungsbedingt in diesem Alter, da weitere Entwicklungsschritte häufig auf eine ausreichende geschulte Grobmotorik aufbauen.

Nicht nur Kinder haben das Bedürfnis, sich viel an der frischen Luft zu bewegen. Es trifft sich gut, dass es auch einige Pädagoginnen nach draußen zieht. Für die Erzieherinnen und Kinderpflegerinnen der Garser Waldgruppen hat sich ein beruflicher Traum erfüllt. Alle sogenannten „Waldis“ sind mit Leidenschaft und Überzeugung am Werk. Die persönliche Mischung des Teams könnte passender nicht sein – jede bringt besondere Fähigkeiten und Leidenschaften mit und bereichert so die pädagogische Arbeit.

Dem Träger, der Leitung und dem Waldteam ist es gleichermaßen wichtig, dass eine gute Kommunikation und Anbindung ans Haupthaus gewährleistet ist und so kannn man sowohl von allen Vorzügen eines großen Trägers profitieren, als auch recht zügig und autark Entscheidungen treffen, die ausschließlich die Waldgruppen betreffen. In Kürze sind alle Pädagoginnen der Waldgruppen zertifizierte „Wald- und Naturpädagoginnen“. Auch das ist dem Träger wichtig – die Qualität muss stimmen.

Seit 2022 gibt es die beiden Waldgruppen in Straß bei Gars und die Resonanz sowohl der Kindergarteneltern als auch der Bürger ist überwältigend positiv.

Überwältigend ist auch die Bereitschaft der Eltern, mitzuwirken und sich einzubringen. Im Herbst 2024 wurde über Nacht wie von Zauberhand nicht nur die erbetene Sandkastenumrandung aus Holzstämmen, sondern gleich auch eine riesige Ladung Sand zu den Schutzhäusern gebracht. Auch die Leidenschaften oder Berufe der Waldeltern haben den Füchsen und Eulen unvergessliche Erlebnisse beschert. So waren schon Mütter mit Metallsuchgerät, Nudelmaschine und Imkerei-Gerätschaften im Wald oder Eltern mit einer mobilen Schmiedewerkstatt im Kofferraum. Vor Kirchweih kam eine Mutter für einen Vormittag, um mit den Kindern „Kirta-Nudeln“ zu backen. Diese besonderen Ereignisse bereichern das nahezu unerschöpfliche Angebot der Natur.

„Mama, du kommst viel zu früh!“, hört eine langjährige Waldmutter häufig beim Abholen. „Oft bin ich mittags nicht sicher, ob unter all dem Matsch tatsächlich noch meine Kinder stecken… Die Kinder leben und lieben ihr Motto: “Waldkinder, das sind wir!“

*Name geändert